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// Arbeitslosigkeit / Rechtshilfe / editorial
Wartefrist bei „selbst verschuldetem“ Arbeitsende (§ 11 AlVG)
Gesetzestexte: § 11 AlVG
Unter der nationalkonservativen ÖVP-FPÖ-Koalitionen wurde auf
Drängen der Wirtschaftsvertreter sozusagen als Strafe für schlechte
Arbeitsbedingungen flüchtende ArbeitnehmerInnen eine 4wöchige
Wartefrist für den Bezug des Arbeitslosengeldes eingeführt. Wer es
wagt, „schuldhaft“ eine Arbeitgeberkündigung auszulösen oder sein
Arbeitsverhältnis selbst kündigt, darf nun 4 Wochen warten, bis er/sie
Geld aus der Arbeitslosenversicherung bekommt. Auf der anderen Seite
gibt es weiterhin keine Sanktion für Firmen, die trotz gut gehender
Geschäfte mutwillig Menschen Ihrer Existenzgrundlage berauben und
kündigen.
Was kann nach § 11 AlVG sanktioniert werden („Ausschlussgründe“)
- Wenn Ihr Dienstverhältnis oder ihre Erwerbstätigkeit in
Folge eigenen Verschuldens beendet worden ist (fristlose Entlassung,
Zahlungsunfähigkeit/Konkurs aus eigenem Verschulden) oder
- Wenn Sie Ihr Dienstverhältnis freiwillig gelöst oder Ihre
Erwerbstätigkeit freiwillig eingestellt haben. „Triftige Gründe“
können aber als Nachsichtsgründe vorgebracht werden
- Welche Arbeitsverhältnisse können nach Beendigung mit § 11 sanktioniert werden:
- Sie müssen in einem Arbeitsverhältnis gewisser Dichte in
Hinsicht auf Zeit und Einkommen gewesen sein (VwGH 2002/08/0040) – wenn
Sie ein geringfügiges Dienstverhältnis beenden, darf das AMS dies nicht
sanktionieren.
Wann gilt ein Arbeitsverhältnis als „gelöst“?
- Das Arbeitsverhältnis muss unstrittig „beendet“ bzw.
„gelöst“ sein (VwGH 99/03/0425). Ist die Lösung Ihres
Arbeitsverhältnisses aber strittig, in dem Sie zum Beispiel beim
Arbeits- und Sozialgericht gegen eine fristlose Entlassung klagen, dann
genießen Sie den Schutz des § 12 Abs. 8 AlVG und erhalten
Vorschuss auf das Arbeitslosengeld. Erst wenn diese „Vorfrage“ im Sinne
des § 38 AVG geklärt ist, darf das AMS Ihnen dann eine
Wartefrist nach § 11 AlVG aufbrummen. Das AMS ist dann an diese
behördliche Vorentscheidung gebunden.
Wie lange läuft die Wartefrist, wann beginnt Sie?
- Wenn das AMS eine Sanktion nach § 11 AlVG über Sie
verhängt erhalten Sie für 4 Wochen kein Arbeitslosengeld. Die Dauer
des Bezugs von Arbeitslosengeld verkürzt sich nicht, verschiebt sich
nur durch diese Wartefrist.
- Die Wartefrist beginnt mit dem ersten Tag nach Ihrer Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. der Erwerbstätigkeit.
- Die Verhängung der Wartefrist ist also nicht möglich wenn
Sie erst nach der Wartefrist von 4 Wochen um Arbeitslosengeld beim AMS
ansuchen.
- Wenn Ihr Leistungsanspruch während der ersten vier Monate
nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses ruht z.B. wegen Bezug einer
Urlaubsabfindung (§ 16 Abs. 1 lit 1 AlVG). Eine Urlaubsabfindung
zu nehmen statt den Urlaub zu konsumieren ist bei Selbstkündigung daher
zu empfehlen!
Wozu bin ich während der Wartefrist gegenüber dem AMS verpflichtet?
- Kontrolltermine sind nur während dem Leistungsbezugs möglich (VwGH 2006/08/0172 RS 1).
- Stellenzuweisungen und vor allem Zuweisungen zu
AMS-Maßnahmen erfolgen in der Regel auch bei der Kontrollmeldung, weil
nur so das AMS Ihrem Recht auf Parteiengehör nachkommen kann.
- Als Grundlage Ihrer Betreuung und der Stellenzuweisungen
muss das AMS die Betreuungsvereinbarung mit Ihnen erstellen, was ohne
Kontrolltermin auch schwer möglich ist ...
Wer klärt die „Schuldfrage“? – Klärung durch andere Behörden als Vorfrage
- Das AMS hat von Amts wegen zu klären, ob Sie ein Dienstverhältnis aus eigenem Verschulden oder selbst freiwillig gelöst haben.
- Nur wenn diese Frage schon bei einer anderen Behörde (z.B.
Arbeits- und Sozialgericht) in einem noch offenen Verfahren geklärt
wird, darf das AMS nach § 38 AVG das Verfahren bis zur Klärung der
Vorfrage mit Bescheid aussetzen.
- Das AMS darf aber Sie aber nicht zwingen, Sie auf den
Rechtsweg (Klage beim Arbeits- und Sozialgericht beispielsweise) zu
verweisen, um nicht selbst diese Frage zu klären.
- Ebenso darf das AMS Ihnen den Bezug für 4 Wochen
einzustellen, nur weil Sie kein (Gerichts)Verfahren bei zuständigen
Behörden machen.
Wann liegt eigenes Verschulden vor und führt voraussichtlich zu einer Wartefrist nach § 11 AlVG?
- Berechtigte fristlose Entlassung aufgrund schwerwiegender
Gründe, z.B. nach § 27 Angestelltengesetz (AngG),
§ 83 Gewerbeordnung 1859 (GewO),
§ 34 Landarbeitergesetz (LarbG),
§ 38 Schauspielergesetz (SchauSpG), § 26
Gutsangestelltengesetz (GutsangG).
Dazu zählen nach Angestelltengesetz:
- Wenn Sie im Dienst untreu sind und sich von Dritten ohne
Wissen und Zustimmung Ihres Dienstgeber Vorteile, Provisionen etc.
geben lassen.
- Wenn unfähig sind, die versprochenen oder die den Umständen nach angemessenen Dienste zu leisten.
- Wenn Sie ohne Zustimmung Ihres Dienstgeber ein eigenes
Unternehmen betreiben oder im Geschäftszweige des Dienstgebers für
eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen.
- Wenn Sie ohne rechtmäßigen Hinderungsgrund während einer
erheblichen Zeit den Dienst unterlassen oder sich gerechtfertigten
Anordnungen des Dienstgebers nicht fügen.
- wenn Sie Tätlichkeiten, Verletzungen der Sittlichkeit
oder erhebliche Ehrverletzungen gegen den Dienstgeber, dessen
Stellvertreter, deren Angehörige oder gegen Mitbedienstete begehen.
- wenn Sie wegen einer längere Haftstrafe oder sonstigen
Gründen außer Unfall und Krankheit über eine erhebliche Zeit am Dienst
gehindert sind.
- Einseitige freiwillige Kündigung Ihrerseits ohne berechtigten Grund.
- Berücksichtigungswürdige Gründe können vom AMS bei der Nachsicht berücksichtigt werden.
Was darf nicht mit § 11 AlVG sanktioniert werden?
- Kündigung durch den Arbeitgeber ohne berechtigen Grund für eine fristlose Entlassung
Dazu zählt auch, wenn Sie Anlass zur Kündigung gegeben haben, jedoch
nicht schuldhaft einen „Entlassungstatbestand“ (siehe oben) gesetzt
haben. Wenn Sie eine Kündigung durch den Arbeitgeber nicht bekämpfen,
darf das AMS jedenfalls nicht schließen, Sie hätten die Kündigung
verschuldet (VwGH 96/08/0168)
- Berechtigter vorzeitiger Austritt aus Verschulden des Arbeitgebers z.B. wenn dieser das zustehenden Entgelt nicht zahlt
- Kündigung durch den Arbeitgeber die eine einvernehmliche Kündigung umgewandelt wird
Laut VwGH handelt es sich dabei lediglich um „einen konkludenten
Verzicht des Arbeitnehmers auf Anfechtung dieser Kündigung verbunden
mit der Vereinbarung, dass nach außen hin als Endigungsgrund nur eine
einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses in Erscheinung
treten soll.“ Aus dem AlVG sei zudem keine „Verpflichtung des
Dienstnehmers, eine Kündigung mit allen ihm zu Gebote stehenden
Mitteln zu bekämpfen“ ableitbar. Weiters: „Eine derartige Umwandlung
einer bereits ausgesprochenen Kündigung in eine einvernehmliche
Auflösung des Dienstverhältnisses kommt überdies den Intentionen der
Arbeitslosenversicherung entgegen, da es als Erfahrungssatz gelten
kann, dass Dienstnehmer, deren Dienstverhältnis einvernehmlich
aufgelöst wurde, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt weniger
Beschäftigungshindernisse vorfinden, als solche, die von ihrem
Dienstgeber gekündigt wurden und einem potentiellen neuen Dienstgeber
die hierfür maßgebenden Gründe erklären müssen.“ (VwGH 96/08/0168)
- Einvernehmliche Kündigung
Die Wartefrist gilt nach § 11 AlVG für „Arbeitslose, die ihr
Dienstverhältnis freiwillig gelöst haben“ was nach Meinung von
Krapf/Keul (§ 11, Seite 4) eine einseitige Lösung durch Sie als
Dienstnehmer abzielt. Eine „einvernehmliche Kündigung“ ist aber nur mit
Zustimmung des Dienstgebers möglich und darf daher vom AMS nicht mit
§ 11 AlVG sanktioniert werden!
- Beendigung des Dienstverhältnisses durch Zeitablauf
Laut Gerhartl darf das AMS Sie auch dann nicht mit § 11
sanktionieren, „wenn der Umstand, dass das Dienstverhältnis nicht
verlängert wurde, auf einen Willensentschluss des (nunmehrigen)
Arbeitslosen zurück geht (z.B. ein Lehrling, der den Abschluss eines
Dienstverhältnisses – für die Dauer der Behaltefrist – ablehnt.“
(Gerhartl § 11 Rz 5)
VORSICHT FALLE:
Laut VwGH kann aber unter Umständen die Ablehnung einer konkret
angebotenen Verlängerung, wenn diese voll zumutbar, als Vereitelung
einer sich bietenden Arbeitsgelegenheit sanktioniert werden! (VwGH
90/08/0084)
Was ist noch umstritten?
Auflösung eines Dienstverhältnisses in der Probezeit
Nach Meinung von Krapf/Keul sei bei Lösung des
Dienstverhältnisses in der Probezeit durch Sie nur im Ausnahmefall mit
dem § 11 sanktionierbar, nämlich dann, wenn durch eine
kurzzeitige Annahme einer zugewiesenen Arbeit eine Sperre wegen
Vereitelung nach § 10 AlVG umgangen werde. Der AMS Jurist
Gerhartl bestreitet das aber. Eine Rechtsprechung des VwGH zu dieser
Streitfrage ist uns noch nicht bekannt.
Nach Löschnigg werde in der Regel eine Probezeit vereinbart,
wenn sich der Arbeitgeber von Ihrer Eignung überzeugen möchte. „Das
wesentliches Charakteristikum des Probearbeitsverhältnis besteht
darin, dass dieses jederzeit von jedem Vertragsteil ohne Einhaltung
von Fristen und Terminen und ohne vorliegen von Gründen gelöst werden
kann.“1 Es ist also eine einvernehmliche Lösung, die Auflösung durch
Sie ist unserer Meinung nach mit einer Einvernehmlichen Auflösung
gleich zu behandeln und nicht zu sanktionieren.
Zudem meinen Krapf/Keul: „Würde bei jeder Auflösung in der
Probezeit die Sanktion des § 11 AlVG verhängt werden, wäre dies
ein starkes Hemmnis – vor allem auch im Wege der Eigeninitiative –
einen Arbeitsantritt zu wagen, unter dem Risiko, bei Scheitern des
Arbeitsversuches, anschließend für vier Wochen die Leistung zu
verlieren.“ (Krapf/Keul Rz 300) Jeder Arbeitsversuch beinhalte die
Möglichkeit dauerhafter Beschäftigung, eine Sanktion durch das AMS
wäre daher völlig kontraproduktiv.
Nachsichtsgründe bei „selbst verschuldeter“ Auflösung/Freiwilliger Auflösung des Arbeitsverhältnisses
§ 11 Abs. 2 AlVG lautet: „Der Ausschluss vom Bezug des
Arbeitslosengeldes ist in berücksichtigungswürdigen Fällen, wie z.B.
wegen Aufnahme einer anderen Beschäftigung, freiwilliger Beendigung
eines Dienstverhältnisses oder einer Erwerbstätigkeit aus zwingenden
gesundheitlichen Gründen oder Einstellung der Erwerbstätigkeit wegen
drohender Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit oder bei
Saisonabhängigkeit wegen Saisonende, nach Anhörung des
Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen.“
Ermittlung der Nachsichtsgründe
Das AMS muss also von sich aus („amtswegig“) in einem
Ermittlungsverfahren klären, ob derartige berücksichtigungswürdige
Gründe vorliegen. Diese Gründe sind durch eine Niederschrift vom AMS
zu dokumentieren. Das AMS muss Sie rechtzeitig per Ladung informieren
und den Grund der Ladung angeben, damit Sie sich auf die Darlegung
berücksichtigungswürdiger Gründe vorbereiten können. Überrumpelt Sie
das AMS mit einer Niederschrift, dann können Sie eine extra Ladung in
ausreichender Frist verlangen, die Sie benötigen, um die Belege für
Ihre berücksichtigungswürdigen Gründe zu sammeln bzw. hat das AMS Ihnen
eine Nachfrist für die Vorlage derartiger Belege zu gewähren.
Vor der Novelle BGBl I 2000/142 konnten noch „triftige
Auflösungsgründe“ die Wartefrist an sich verhindern, seither können Sie
diese nur noch als berücksichtigungswürdige Gründe einbringen
(VwGH 2007/08/0063 RS 2).
Gewährung der Nachsicht – Anhörung des Regionalbeirats
Liegt ein Nachsichtsgrund vor, so muss das AMS auf jeden Fall
von sich aus („von Amts wegen“) Nachsicht gewähren. Das AMS hat aber
einen Ermessensspielraum, ob es Ihnen alle vier Wochen nach sieht oder
nur einen Teil davon. Hat das AMS von sich aus im Ermittlungsverfahren
Nachsichtsgründe ermittelt oder haben Sie solche geltend gemacht, ist
der Regionalbeirat, in dem Vertreter der Sozialpartner sitzen,
anzuhören.
Tipp: Sie können vom AMS die Liste der Mitglieder des
Regionalbeirats verlangen und Vertreter der Sozialpartner
(Arbeiterkammer, Gewerkschaften, Wirtschaftskammer,
Industriellenvereinigung) über Ihre Nachsichtsgründe direkt
informieren, da diese sonst nur aufgrund des vom AMS vorgelegten Aktes
ihre Stellungnahme abgeben. Das AMS muss sich aber nicht an deren
Empfehlung halten ...
Was gilt grundsätzlich als Nachsichtsgrund bei einseitiger Auflösung Ihres Arbeitsverhältnisses? – „Triftige Gründe“
Vor der AlVG-Novelle 2000 führten nur jene „freiwilligen
Auflösungen“ Ihres Arbeitsverhältnisses zur 4wöchigen Wartefrist, die
„ohne triftige Gründe“ gemacht wurden. „Nach dem Bericht des
Budgetausschusses (369 BlgNR 21. GP) sollen ... allenfalls vorliegende
Nachsichtsgründe, die die Auflösung eines Dienstverhältnisses
rechtfertigen können, künftig nur mehr im Wege eines
Nachsichtsverfahrens nach Anhörung des Regionalbeirats geprüft
werden.“ Bei der „Prüfung von im Einzelfall vorliegenden subjektiven
Faktoren der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung“ gelte daher
weiterhin die Rechtsprechung des VwGH zu den „triftigen Gründen“:
Wenn die Zumutbarkeit nach § 9 Abs. 2 und 3 AlVG nicht
(mehr) auf Ihre Arbeit zutrifft (VwGH 2007/08/0063 RS 2), das heißt,
die Bezahlung nicht dem Kollektivvertrag entspricht oder die
zumutbaren Wegzeiten überschritten werden. (z.B. 2006/08/0157 RS 1).
Da „gänzlich anders geartete Situation des in Beschäftigung
Stehenden (zum Unterschied zu dem bereits arbeitslos Gewordenen) zu
berücksichtigen“ ist gilt weiters: „Soweit das Arbeitsverhältnis
betreffende Umstände für die Auflösung eines Dienstverhältnisses in
Betracht kommen, wird es sich zwar nicht nur um Vorfälle handeln
müssen, die einen Austrittsgrund im Sinne des Arbeitsvertragsrechtes
(etwa im Sinne des § 26 Angestelltengesetz und verwandter
Rechtsvorschriften) darstellen, zumindest aber um solche, die einem
solchen wichtigen Grund zumindest nahe kommen.“ (VwGH
2007/08/0063 RS 2).
§ 26 AngG lautet: Als ein wichtiger Grund, der den
Angestellten zum vorzeitigen Austritte berechtigt, ist insbesondere
anzusehen:
- „Wenn der Angestellte zur Fortsetzung seiner Dienstleistung
unfähig wird oder diese ohne Schaden für seine Gesundheit oder
Sittlichkeit nicht fortsetzen kann;“
- wenn der Dienstgeber das dem Angestellten zukommende
Entgelt ungebührlich schmälert oder vorenthält, ihn bei
Naturalabzügen durch Gewährung ungesunder oder unzureichender Kost
oder ungesunder Wohnung benachteiligt oder andere wesentliche
Vertragsbestimmungen verletzt;
- wenn der Dienstgeber den ihm zum Schutze des Lebens, der
Gesundheit oder der Sittlichkeit des Angestellten gesetzlich
obliegenden Verpflichtungen nachzukommen verweigert;“
- wenn der Dienstgeber sich Tätlichkeiten, Verletzungen der
Sittlichkeit oder erhebliche Ehrverletzungen gegen den Angestellten
oder dessen Angehörige zuschulden kommen lässt oder es verweigert, den
Angestellten gegen solche Handlungen eines Mitbediensteten oder eines
Angehörigen des Dienstgebers zu schützen.
Sonstige „triftige Gründe“:
1. Wegzeiten
Machen Sie einen Wohnsitzwechsel oder Ihr Arbeitgeber einen
Firmensitzwechsel, sodass die Wegzeiten unzumutbar werden, ist das ein
Nachsichtsgrund (VwGH 99/08/0137 sowie VwGH 2009/08/0272). Wenn der
PKW Ihres Gatten/Partner nicht dauerhaft zur Verfügung steht und die
Fahrtzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zumutbar ist, ist
das auch ein Nachsichtsgrund (VwGH 2000/19/0052).
2. Gesundheitliche Gründe
Seit der AlVG-Novelle müssen medizinische Gründe „zwingend“
sein, damit das AMS dann Nachsicht gewähren muss. Das heißt: Konkrete
gesundheitliche Beschwerden müssen bei Beendigung des
Dienstverhältnisses bereits vorhanden sein oder bei weiterer
Beschäftigung zwingend eintreten.
Sie haben die gesundheitlichen Gründe durch ärztliche
Gutachten zumindest glaubhaft zu machen. Reichen Ihre Unterlagen zur
Beurteilung der gesundheitlichen Gründe nicht aus, muss das AMS Sie zu
amtsärztliche Gutachter zu schicken (siehe auch Arbeitsfähigkeit).
Das AMS muss von sich aus („amtswegig“) ermitteln, ob die von
Ihnen angeführten „gesundheitlichen Probleme in einer für den
Beschwerdeführer zumutbaren Zeit (sei es durch entsprechende
Behandlung, sei es durch Hilfsmittel bei der Tätigkeit) wegfallen
würden und ob er die Beschäftigung dann im Wesentlichen
beschwerdefrei, aber auch ohne die Besorgnis einer
Verschlechterung seines Gesundheitszustandes durch die – wenn auch
beschwerdefreie – Ausübung dieser Tätigkeit hätte fortsetzen können“
(VwGH 2007/08/ 0063 RS 3)
Das AMS darf aber nicht von Ihnen verlangen, eine „unzumutbare
Beschäftigung weiterhin auszuüben, bis geklärt werden könne, ob die
Beschwerden nur vorübergehender Natur seien oder sich sogar
verschlimmerten.“ … „Die vage Zukunftsprognose (über
Beschwerden nur vorübergehender Natur)“ ist für die Verweigerung der
Nachsicht nicht ausreichend! „Insbesondere die Zukunftsprognose (über
Beschwerden) bei weiterer Ausübung der Beschäftigung müsse im Falle
des Vorhandenseins konkreter Anzeichen im wesentlichen dem
Arbeitnehmer überlassen werden, weil schließlich er selbst hierbei
über den größtmöglichen Erfahrungswert verfüge.“ (VwGH 1993/08/ 0097)
Was gilt noch als berücksichtigungswürdiger Grund?
- Beendigung eines Arbeitsverhältnisses um eine
Berufsausbildung fortzusetzen/zu machen, wenn ohne diese
arbeitsmarktpolitisch sinnvolle Weiterbildung die künftige Verwendung
im Beruf erschwert würde (VwGH 91/08/0189 RS 4 und 5)
- Wenn die gesetzlichen Versorgungspflichten für Ihre Kinder
durch die Arbeit gefährdet ist. Sorgepflichten als Vater und
Beistandspflicht als Gatte sind auch im Familienrecht gesetzlich
verankert (VwGH 2000/19/0052).
- Wenn Sie innerhalb der längeren Sperrfrist von 8 Wochen
eine die Arbeitslosigkeit ausschließende (auf Dauer angelegte)
Beschäftigung aufnehmen (auch selbständige Erwerbstätigkeit!) (VwGH
2000/19/0136 RS 3 bis 5)
- Gründe „die dazu führen, dass der Ausschluss vom Bezug des
Arbeitslosengeldes nach § 10 Abs. 1 (oder § 11) AlVG den
Arbeitslosen aus bestimmten Gründen unverhältnismäßig härter trifft,
als dies sonst ganz allgemein der Fall ist“ (VwGH 2000/19/0052 RS
5).
- VORSICHT FALLE:
Sorgepflichten für Kinder alleine gelten nicht, sofern diese nicht
härter treffen als andere Arbeitslose, die ebenfalls eine Familie zu
versorgen haben! (VwGH 99/08/0137)
Was gilt nicht als berücksichtigungswürdiger Grund?
- Spannungen am Arbeitsplatz, mangelnde
Entfaltungsmöglichkeiten oder Ärger über eine arbeitsvertraglich
zulässige Rechtsausübung durch den Arbeitgeber wie Verbot der
Privatnutzung des Firmen-Pkw und Autotelefons (VwGH 90/08/0106 RS 3)
- Bloße Erwartung höherer Aufstiegschancen und besserer
Entlohnung in einem neuen Arbeitsverhältnisses sind kein Grund für die
Nachsicht bei freiwilliger Auflösung eines langjährigen
Arbeitsverhältnisses (VwGH 2000/19/0136 RS 2)
- Aufnahme einer bloß kurzen Beschäftigung nach mehrmaligen
Vereitelungen zugewiesener Stellen, woraus das AMS schließen könne,
Sie hätten diese nur zur Umgehung der Sperrfrist aufgenommen (VwGH
2007/08/0237)
- Wenn Sie sich vom AMS beraten lassen und Ihren Job aufgrund
einer günstigen Prognose über das Arbeitslosengeldes kündigen (VwGH
2000/19/0052)
- Wenn Ihnen das AMS keine Beschäftigung angeboten hat (VwGH 2000/19/ 0052 RS 6)
Tipp:
Geben Sie bei der Niederschrift beim AMS alle in Frage kommenden
berücksichtigungswürdigen Gründe an (sofern Sie diese preis geben
wollen) und sammeln Belege. Beim VwGH gilt leider ein
Neuerungsverbot, das heißt Sie können dort keine neuen Gründe
vorbringen. Die letzte Gelegenheit Gründe vor einer VwGH-Beschwerde
vorzubringen haben Sie bei der Berufung gegen den (ersten)
Sperrbescheid.
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